Es gibt wohl niemanden, der nicht schon einmal erschöpft oder ausgepowert war. Anhaltender Stress im Beruf oder im Familienalltag sind die Klassiker.
Wir, mich eingeschlossen, sind meist viel zu beschäftigt, um einmal innezuhalten, durchzuatmen und uns kritisch den Spiegel vorzuhalten und zu fragen: »Hey, du da im Spiegel, wie geht es mir eigentlich?«
Und damit ist nicht der Körper (die Physis) gemeint, unsere oft sehr verkürzte Interpretation von »Gesundheit«. Nein, ich meine unseren Geist (die Psyche). Also noch einmal, frage dich »Wie geht es mir eigentlich?«
Wenn du jetzt kurz zögerst, eine Antwort zu finden, dann lies weiter. Wenn du sagst, es ging dir schon mal besser, lies auf jeden Fall weiter. Aber zuerst, was ist der Unterschied zwischen den verschiedene Stufen der Überlastung?
- Erschöpfung
- Burnout
- Depression
Die Ursachen der Überlastung sind individuell verschieden und bei jedem Menschen anders. Wie geht es mir eigentlich, kann man sich nicht nur im Arbeitsumfeld fragen, sondern das musst du auch im Familienleben und im privaten Umfeld.
Die Erschöpfung
Fangen wir am Anfang an. Wir sind erschöpft nach einer zeitlich begrenzten Anstrengung. Wir alle kennen den Tag, an dem wir nach Hause kommen und uns nur noch auf die Couch werfen und eine Netflix-Serie bingen. Das ist auch ganz normal und am nächsten Morgen nach einem erholsamen Schlaf sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Die Frage nach dem »wie geht es mir eigentlich?« kann also mit einem »jetzt gerade bin ich platt, aber ich weiß ganz genau, was die Ursache war und es ist morgen wieder gut«.
Das Burnout Syndrom
Häufig wird unter einem Burnout eine länger anhaltende Erschöpfung durch Überlastung verstanden, bei der meist eine Auszeit und eine Reduzierung der Arbeitsbelastung helfen. Meiner Erfahrung nach wird ein Burnout in der Leistungsgesellschaft eher akzeptiert als eine Depression – überspitzt gesagt ist es in manchen Kreisen sogar etwas »chic«. Das soll ein Burnout aber keinesfalls verharmlosen. So ein Burnout kann jeden treffen: Angestellte, Selbständige, Angehörige von Schwerkranken, Studenten, Schüler, junge Eltern. Niemand muss sich dafür schämen.
Leider gibt es keine international anerkannte Definition von Burnout und keine eindeutigen Diagnosekriterien. In sehr hartnäckigen Fällen kann sich hinter einem subjektiv als »Burnout« erlebten Zustand eine Depression verbergen. Diese wird möglicherweise nicht als solche diagnostiziert, weil keine adäquate ärztliche Hilfe gesucht wird.
Die Depressionserkrankung
Jeder von uns hat Phasen, in denen alles grau in grau erscheint, in denen wir »depressiv« sind.
Wer an einer handfesten Depression erkrankt ist, fühlt sich zwar wie bei einem Burnout auch erschöpft, aber es kommen noch einige weitere Krankheitssymptome hinzu: tiefe Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, gedrückte Stimmung, Schuldgefühle, Schlafstörungen, Appetitstörungen und vieles mehr – und das alles über mindestens zwei Wochen.
Eine Depression ist also weit mehr als ein vorübergehendes Stimmungstief, sie ist eine ernst zu nehmende Krankheit. Sie ist eine psychische Störung, bei der sich die Betroffenen über nichts mehr freuen können, ihnen alles, selbst das Aufstehen, unglaublich schwerfällt und sie das Gefühl haben, gegen einen ständigen Widerstand ankämpfen zu müssen. Der Leidensdruck ist extrem hoch und auch Suizidgedanken sind leider sehr konkrete Symptome. Mediziner haben die Depression – im Gegensatz zum Burnout – in der ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) klar definiert. Formal müssen mehrere dieser Symptome über mindestens zwei Wochen vorliegen, um eine Depression zu diagnostizieren.
Während meiner eigenen fast zweijährigen schweren depressiven Episode mit über 200 Tagen Psychiatrieaufenthalt habe ich gelernt, dass Depression keine Charakterschwäche ist. Ich habe Supermarktverkäufer, Staatsanwälte, Bäcker, Universitätsprofessoren, Handwerker, Lehrer, Unternehmensberater, Psychologiestudenten, Rentner, Psychiater, Taxifahrer und Jugendliche als Patienten auf der Depressionsstation der Klinik kennengelernt. Und glaub mir, die haben keine Charakterschwäche oder sind Drückeberger.