Depression verstehen - Wissen für Patienten und Angehörige

Depression verstehen - Wissen für Patienten und Angehörige

Was ist eine Depression?

Jeder von uns hat Phasen, in denen alles grau in grau erscheint, in denen wir »depri« sind. Das Wetter, die Arbeit oder ein geplatztes Date können als deprimierend erlebt werden.

Doch eine Depression ist mehr als ein vorübergehendes Stimmungstief, sie ist eine ernst zu nehmende Krankheit.

Sie ist eine psychische Störung, bei der sich die Betroffenen über nichts mehr freuen können, ihnen alles, selbst das Aufstehen, unglaublich schwerfällt und sie das Gefühl haben, gegen einen ständigen Widerstand anzukämpfen.

Oft verschwindet der Appetit und die Betroffenen verlieren stark an Gewicht. Häufig kann man nicht ein- oder durchschlafen, egal wie müde man ist. Die Schuld wird nicht bei der Familie oder dem Arbeitgeber gesucht, sondern vor allem bei sich selbst. Auch die Hoffnungslosigkeit, nie mehr aus der Krankheit herauszukommen, ist fester Bestandteil der Depression.

Der Leidensdruck ist extrem hoch und auch Suizidgedanken sind leider ganz konkrete Symptome.

Depressionen können im Laufe eines Lebens bedauerlicherweise wiederkehren oder sogar chronisch werden, insbesondere wenn sie unbehandelt bleiben.

Wie fühlt sich eine Depression für einen Betroffenen an?

Im SWR Nachtcafé spricht Dr. Thomas Reinbacher mutig über seine schwere Depression. Wie sich eine Depression wirklich anfühlt, können sich Freunde und Angehörige oft nur schwer vorstellen. Der Bericht eines Betroffenen hilft, die Abgründe einer depressiven Seele besser zu verstehen (1).

Was sind die Haupt- und Nebensymptome der Erkrankung?

Mediziner definieren eine Depression nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, kurz ICD-10. Demnach gibt es drei Hauptsymptome der Depression und sieben Nebensymptome.

Depression Haupt- und Nebensymptome der Depression nach den ICD 10 Kriterien

Die drei Hauptsymptome

  1. Depressive Stimmung, in einem für die Betroffenen deutlich ungewöhnlichen Ausmaß, die meiste Zeit des Tages, fast jeden Tag, im Wesentlichen unbeeinflusst von den Umständen.
  2. Interessen- oder Freudeverlust an Aktivitäten, die normalerweise angenehm sind
  3. Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit.

Die sieben Zusatzsymptome

  1. Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls
  2. unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene Schuldgefühle
  3. wiederkehrende Gedanken an den Tod oder an Suizid oder suizidales Verhalten
  4. Klagen über oder Nachweis eines verminderten Denk- oder Konzentrationsvermögens, Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit
  5. psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung (subjektiv oder objektiv)
  6. Schlafstörungen jeder Art (also Einschlafen und / oder Durchschlafen klappen nicht)
  7. Appetitverlust oder gesteigerter Appetit mit entsprechender Gewichtsveränderung

Formal müssen mehrere dieser Symptome über mindestens zwei Wochen vorliegen, um eine Depression zu diagnostizieren.

Wie wird eine Depression festgestellt?

Eine Depression wird von Ärzten und Therapeuten diagnostiziert, indem in einem Gespräch mit dem Patienten die Haupt- und Zusatzsymptome der Depression erfassen.

Eine erste Einschätzung liefert aber auch ein Selbsttest, der auf einen standardisierten Fragenbogen basiert.

Zu unserem anonymen Depression Selbsttest

Welche Schweregrade der Erkrankung gibt es?

Eine Depression wird diagnostiziert, indem im Gespräch die Haupt- und Zusatzsymptome der Depression erfasst werden. Diese müssenmindestens 2 Wochen langvorliegen.

Je nachdem wie viele Haupt und Nebensymptome vorliegen unterscheidet man drei Schweregrade der Erkrankung.

Die leichte depressive Episode nach ICD10 - F32.0

Bei leichten Depressionen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Betroffenen auch ohne Behandlung wieder gesund werden. Bevor der Arzt eine Behandlung mit Psychopharmaka oder eine Psychotherapie verordnet, können unterstützende Gespräche, Schulungen, Selbsthilfebücher oder Online-Programme eingesetzt werden. Bessern sich die Beschwerden nach zwei Wochen nicht, sollte eine Therapieerweiterung mit dem Arzt oder Psychotherapeuten besprochen werden.

Die mittelgradige depressive Episode nach ICD10 - F32.2

Bei mittelgradigen Depressionen ist in der Regel eine Psychotherapie oder eine Behandlung mit Antidepressiva das Mittel der Wahl. Hier geht es also um eine »entweder-oder« Entscheidung.

Die schwere depressive Episode nach ICD10 - F32.2

Eine Kombination von Medikamenten und Psychotherapie ist bei schweren Depressionen am wirksamsten. Hier geht es also um eine Kombination der beiden Therapieansätze.

Was stimmt nicht mit mir?

Eine Depression lässt sich in den meisten Fällen nicht auf eine Ursache reduzieren (Quelle).

Vielmehr handelt es sich um ein Zusammenspiel von Seele und Körper. Entscheidend sind also sowohl psychosoziale Faktoren als auch das, was in unserem Gehirn passiert, die neurobiologischen Prozesse.

Man muss immer beide Seiten, Seele und Körper, betrachten.

Psychosoziale Ursachen

Die psychosozialen Faktoren – die auf die Seele einwirken – sind unser Verhalten, unsere Lebenserfahrungen und unsere Beziehungen. Traumata oder Missbrauchserfahrungen in frühen Lebensphasen können das Depressionsrisiko erhöhen.

Aktuelle Auslöser können Ereignisse wie der Verlust eines geliebten Menschen oder eine (langandauernde) überfordernde Situation sein.

Manchmal treten Depressionen aber auch spontan auf, also ohne äußeren Auslöser.

Neurobiologische Ursachen

Die neurobiologischen Faktoren – die auf den Körper einwirken – sind Prozesse, die in unserem Gehirn passieren.

Vererbte Dysfunktionen und unsere genetische Veranlagung, Veränderungen im Hormonhaushalt oder ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn können Auslöser für eine Depression sein.

Viele Medikamente setzen deshalb am Botenstoff Serotonin an. Doch Serotonin allein ist es nicht, dafür ist unser Gehirn zu komplex aufgebaut. Viele der komplexen Wechselwirkungen und Abläufe im Gehirn sind noch Gegenstand aktueller Forschung.

Wie lange wird meine depressive Episode dauern?

Der erste Schritt in der Akzeptanz ist, zu verstehen, dass es keine Heilung von heute auf morgen gibt. Viele Betroffene berichten, dass die Besserung wellenförmig verläuft, in einem ständigen Auf und Ab. Das kann ich als Patient bestätigen!

Aber die Prognose ist gut – fast jede Depression endet eines Tages. Diese Gewissheit hat auch mir in den dunkelsten Stunden Kraft und Mut gegeben.

Die Erkrankung ist in Bezug auf Form, Schwere und Verlauf individuell sehr unterschiedlich. Sie hat einfach »viele Gesichter« und verlässliche Aussagen über die Dauer kann man nicht treffen.

Die Depression und die zwei Verlaufsformen der Erkrankung

Der unbehandelte Verlauf

Unbehandelt, also gänzlich ohne Psychotherapie und ohne Anti-depressiva, dauert eine depressive Episode im Durchschnitt zwischen sechs und acht Monaten. Bei manchen Patienten wird die Depression nach dieser Zeit nur teilweise ausgeheilt sein (teilremittiert). Bei unbehandelten Depressionen besteht auch ein deutlich erhöhtes Risiko, dass sich die Depression chronifiziert.

Der behandelte Verlauf

Behandelt verkürzt sich die Dauer einer Episode auf durchschnittlich vier Monate4. Manche Depressionen können zwei Jahre oder länger anhalten.

Das sind natürlich alles Durchschnittswerte, bei mir waren es 1,5 Jahre. Absolut wichtig ist, sich in Behandlung zu begeben.

Laut einer Schätzung des Robert Koch-Instituts sind deutschlandweit nur 6-9 % aller Patienten mit behandlungsbedürftiger Depression in suffizienter Behandlung (2).

Referenzen:

  • (1) SWR Nachtcafe "Alptraum Nacht, was uns den Schlaf raubt" Dezember 2023 - ARD Mediathek
  • (2) Heft 51, Depressive Erkrankungen, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, RKI, 2010

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