Depression vor der Kamera: Thomas & Xiaoxi in der ZDF 37 Grad Doku "Kampf im Kopf"

Depression vor der Kamera: Thomas & Xiaoxi in der ZDF 37 Grad Doku "Kampf im Kopf"

Es war ein ganz normaler Dienstag, als mein Handy klingelte. Eine Redakteurin am anderen Ende der Leitung. Ob ich Interesse hätte, mich zu einem Vorgespräch zu treffen? Es gehe um eine ZDF 37 Grad Dokumentation über Depression.

Ich saß da, starrte auf mein Telefon und dachte: Das kann doch nicht wahr sein. Surreal trifft es ganz gut. Nach dem Buch, jetzt auch noch eine Fernsehdoku - und noch dazu so ein geniales Format!?

Das Vorgespräch - das erste Treffen in München Schwabing

Sie war durch mein Buch »Nach Grau kommt Himmelblau« auf mich aufmerksam geworden. Vor etwa einem Jahr trafen wir uns dann in einem Café in München Schwabing. Ich sollte meine Geschichte erzählen – die Geschichte meines Absturzes von der Raketenkarriere (NASA, McKinsey, Amazon, Google) in die schwerste Depression (F33.2).

Dann kam der Moment, der mir noch heute in Erinnerung geblieben ist: Die Redakteurin fragte mich, ob es okay sei, wenn sie mich mit dem Handy dabei filmt. Mitten im Café. Menschen um uns herum, die ihren Cappuccino schlürften, während ich über die dunkelsten Momente meines Lebens sprach und gefilmt wurde.

Komisch? Ja, definitiv. Aber gut – was sein muss, muss sein.

Die Entscheidung: Wollen wir das wirklich so offen erzählen?

Einen Monat später kam die Zusage. "Wir wollen das machen."

Xiaoxi und ich sahen uns in die Augen. Wirklich? Die wollen bei uns zuhause drehen. In unserer Wohnung. Und auch unseren kleinen Nik dabei zeigen. Wollen wir unser Privatleben, unser Zuhause, unsere Familie so öffentlich machen?

Aber wenn wir uns vorgenommen haben, die Entstigmatisierung von Depression voranzutreiben, dann müssen wir das machen. Also sagen wir zu!

Warum 37 Grad so ein starkes Format ist 📺

37 Grad ist eine der bekanntesten Doku-Reihen des ZDF – seit 1994 erzählen dort Menschen persönlich und ungeschönt von Krisen, Wendepunkten und Neuanfängen. Die Filme laufen klassisch zur Primetime-nahen Sendezeit und sind in der ZDFmediathek abrufbar – das sorgt für Reichweite und Nachhaltigkeit. Für Themen wie Depression ist genau das Gold wert: niedrigschwelliger Zugang und große Sichtbarkeit.

6-7 Drehtage: Die Realität der Depression mit Thomas und Xiaoxi vor der Kamera

Es folgten sechs bis sieben intensive Drehtage.

Zuhause: Die langen Interviews

Wir starteten bei uns in der Wohnung. Lange, sehr lange Interviews mit mir und mit Xiaoxi wurden aufgezeichnet. Stundenlang sprachen wir über die dunkelsten Momente, über Suizidgedanken, über die Hilflosigkeit, über die verzweifelte Suche nach dem Licht am Ende des Tunnels.

Das Problem an der ganzen Geschichte? Diese vielen Drehtage, diese stundenlangen Gespräche werden am Ende auf wenige Minuten synthetisiert. Aus Stunden werden Wortfetzen. Einzelne Sätze. Manchmal fühlt es sich an, als würde die ganze Komplexität, die ganze Nuancierung verloren gehen.

Die Augen als Fenster zur Seele

Meine Augen wurden sehr lange gefilmt – das ist der Einstieg in die Doku. Ich habe noch nie so genau meine Iris betrachtet, haha. Aber es ist wahr: Die Augen verraten alles. Die Leere, die Erschöpfung, die Depression – sie steht einem ins Gesicht geschrieben.

Zurück in die Psychiatrie

Dann gab es einen Drehtag in der Psychiatrie, in der ich in Behandlung war. Dort wurde das Buchkapitel "Er lügt" nachgedreht – der Moment, wo Xiaoxi dem Arzt den Zettel zusteckt: "Thomas lügt, er hat Suizidgedanken. Sie müssen ihn aufnehmen."

Das war sehr bewegend für mich. Wir haben dort auch meinen behandelnden Arzt wiedergetroffen – tausend Dank gehen raus an ihn! Dieser Mann hat mir das Leben gerettet.

Ich bin dann mit einer wackeligen GoPro am Kopf den Psychiatriegang auf und ab gelaufen, damit die Zuseher einen Einblick bekommen, wie es mir damals erging. Die genauen Gefühlszustände auf Bild zu zeigen, ist eine absolute Herausforderung. Wie filmt man Verzweiflung? Wie zeigt man die Schwere, die einen jeden Morgen beim Aufwachen zu Boden drückt?

Der Drehtag mit unserem Angehörigen-Programm

Es gab auch einen Drehtag, wo wir uns zu unserem Angehörigen-Programm mit den Experten trafen. Ein voller Tag. Viele von unseren Experten sind extra nach München angereist.

Leider wurde das alles rausgeschnitten. Alles! Komplett. Nicht eine Sekunde ist davon in der finalen Doku gelandet. Das hat wehgetan, nicht wegen meines Egos, sondern weil diese Experten so wertvolle Arbeit leisten und weil das Angehörigen-Thema so wichtig ist.

Die finalen Szenen

Dann hatten wir noch einen weiteren Drehtag bei uns zuhause – die Szene mit den Kartons in der Wohnung verteilt. Dabei wurde auch die Abschlusssequenz gedreht, wo wir mit Nik im Park bei uns spielen. Diese leichten Momente, die zeigen sollen: Es gibt ein Leben nach der Depression.

Die emotionale Achterbahn

Insgesamt war es eine wahnsinnig interessante Erfahrung, bei dieser 37 Grad Doku mitzuwirken. Aber es war auch ein enormer Zeiteinsatz für uns drei – und emotional aufwühlend.

Ich war nach den Drehtagen immer so, so erledigt. Geistig komplett erschöpft. Jeder Drehtag war wie eine intensive Therapiesitzung, nur dass eine Kamera dabei war und das Ganze später Millionen Menschen sehen würden.

Besonders der Besuch in meiner "alten" Psychiatrie hat mich sehr berührt. Diese Gänge. Diese Gerüche. Diese Erinnerungen. Aber auch dieser Gedanke: Gut, dass ich da nicht mehr hin muss.

Hier findet ihr ein paar Eindrücke von den Drehtagen:


Warum wir es trotzdem wieder öffentlich über Depression reden würden

Würden wir es wieder machen? Ja.

Weil jeder Mensch, der diese Doku sieht und dadurch versteht, dass Depression eine Krankheit ist. Dass sie jeden treffen kann. Dass sie behandelbar ist. Dass es okay ist, Hilfe zu suchen – jeder dieser Menschen macht den ganzen Aufwand wert.

Depression ist keine Schwäche. Sie ist keine Charakterfrage. Sie ist eine Erkrankung, die behandelt werden kann und muss.

Und wenn meine Geschichte, unsere Geschichte, auch nur einem einzigen Menschen Mut macht, Hilfe zu suchen – dann hat sich jede Minute vor der Kamera gelohnt.

Wie finde ich die Doku?

Suche in der ZDF Mediathek nach „37°: Kampf im Kopf – Leben mit Depression“ oder nach „Thomas 37 Grad Doku“. Geplante Erstausstrahlung: Dienstag, 21.10.2025, 22:15 Uhr im ZDF.

Dr. Thomas Reinbacher ist Autor des Bestseller-Buches »Nach Grau kommt Himmelblau« – ein Mut-Macher-Buch über Depression für Angehörige, Freunde, Betroffene und Workaholics. Nach 2 Jahren und 200 Tagen Psychiatrie hat er seinen Weg zurück ins Leben gefunden und setzt sich heute für die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen ein.

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Als Thomas Reinbacher, 38, in der Psychiatrischen Klinik ankam, konnte er seinen Namen nicht mehr schreiben. »Ich konnte es selbst nicht fassen«, sagt er im Videochat, rund zwei Jahre und mehr als 200 Behandlungstage später.

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Mit beeindruckender Offenheit teilt Thomas seine innersten Gedanken aus dieser Zeit. Ganz große Empfehlung!!!

Franca Cerutti, Psychotherapeutin, Podcasterin und Autorin

2021 wirft ihn eine Depression aus der Bahn. Mehr als 200 Tage verbringt er in der Klinik und kämpft sich von Suizid-Gedanken zurück ins Leben ... Mit seiner Frau hat er »Nach Grau kommt Himmelblau« geschrieben, um anderen zu helfen.

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