Leseprobe »Coach Bruce« aus Nach Grau kommt Himmelblau

Um mich auf den Wiedereinstieg in die Arbeit vorzubereiten, melde ich mich für das Flagship Event »Release your Strength and Energy (RSE)« eines sehr bekannten amerikanischen Coaches an. Wir nennen ihn Bruce. Auf seiner Website steht dazu:

Transformatorisch. Mächtig. Lebensverändernd. Raketentreibstoff. Dies sind nur einige der Worte, mit denen die Teilnehmer RSE beschreiben. Dies ist sein Markenzeichen – die Veranstaltung, die Sie brauchen, wenn Sie stärker, glücklicher und furchtloser sein wollen. Wenn Sie Ihre Hindernisse überwinden und Ihre Ziele erreichen wollen. Wenn Sie mehr sein, mehr tun, mehr lieben und mehr geben wollen.

Wow, das klingt doch zu gut, um wahr zu sein. RSE – haben wollen! Ich mache das dreitägige Seminar eine Woche bevor ich wieder anfange zu arbeiten. Leider findet es in pazifischer Standardzeit statt. Start spät abends Münchner Zeit, Ende morgens früh gegen 0600. Mitternachts muss ich schon den ersten Espresso einschießen, um durchzuhalten. Es sollen noch ein paar weitere folgen.

Coach Bruce und die Augustiner Halbe

Während den Einheiten ruft mir Bruce via Zoom unzählige Male ein »Say yes!« zu und schlägt inbrünstig zwei Holzstöcke vor sich zusammen. Also schreie ich auch mit, muss aber aufpassen, dass ich Xiaoxi und Nik im Nebenzimmer nicht aufwecke. Zwischen den Einheiten wird gemeinsam zu Musik getanzt. Es fängt harmlos mit Lady Gaga, Rihanna und David Guetta an und gipfelt in der ultimativen Self-Help Hymne. »Life« von Haddaway. »Life will never be the same, life is changing!« Auweia, ganz harte Bandagen.

Bei Haddaway habe ich mir dann die erste Augustiner-Halbe aufgemacht, da hilft dir kein Espresso mehr, das auszuhalten. Gut, dass mich mitten in der Nacht niemand gesehen hat, tanzend zu den Eurodance Evergreens, mit dem Augustiner in der Hand und laut »yes« brüllend. Bis auf Bruce natürlich, aber für den ist das »daily business«.

Ich bin froh, dass das Event nur drei Tage gedauert hat, sonst hätte ich möglicherweise auch noch ein Alkoholproblem.

Aber »don’t blame the Guru, blame yourself«, das Event selbst war eigentlich gut. Es wurden einschränkende Glaubenssätze aufgeschrieben und durch neue ersetzt, Traumreisen gemacht und eine Vision für die Zukunft aufgeschrieben. Aber all das hat mich nur in den Werten bestärkt, an die ich auch schon vor der Depression so stark geglaubt hatte. Immer mehr von allem wollen. Mehr Gehalt, mehr Macht, mehr Einfluss, mehr Investieren. Ich war noch nicht bereit für eine echte Transformation meiner Werte.

Mit meinem alten Wertesystem bin ich wieder in den Job zurück. Es war doch klar, dass das abermals schiefgeht. Meine Werte haben sich einfach nicht verändert. Shit-in, shit-out.

Hätte ich die Übungen zu meinen Werten schon eher kennengelernt, hätte ich mir die 1000 € (in Worten eintausend Euro) für Bruce sparen können.

Aber manchmal bist du der Baum, manchmal der Hund.

Ende der Leseprobe

»Nach Grau kommt Himmelblau« ein Mut-Macher Buch, das zeigt: Depression ist besiegbar!

hr1 am Vormittag, 7.11.2023